Deutscher Journalisten-Verband Landesverband Niedersachsen

Sascha Priesemann wünscht sich flexible Arbeitszeiten, mehr Wertschätzung und die Möglichkeit, den Wandel mitzugestalten

Auch wenn der Fachkräftemangel mittlerweile die Medienbranche erreicht hat, fremdeln Verlage und Medienhäuser aus meiner Sicht noch stark mit dieser Entwicklung. Zwar merken sie zunehmend, dass ihnen junge Journalist*innen den Rücken kehren. Das motiviert Vorgesetzte zu Zugeständnissen, die sie aber viel zu schnell über den Haufen werfen, wenn es mal kritisch wird. Gerade im hektischen Alltag werden Versprechen gerne vergessen, gleichzeitig fehlt es vielfach an Wertschätzung. Das macht gut gemeinte Angebote unglaubwürdig und führt dazu, dass Redaktionen weiter frustrierte Nachwuchskräfte verlieren.

Dennoch ändert sich etwas. Noch vor vier Jahren saß ich in einem Volo-Seminar, in dem eine erfahrene Führungskraft betonte, dass man als junge Journalistin oder junger Journalist erstmal für wenig Geld viel arbeiten müsse. Das würde man heute an gleicher Stelle wahrscheinlich nicht mehr sagen. Für einen echten Kulturwandel fehlen aber noch die Taten. Das wird zum Beispiel bei Honoraren für Freie deutlich. Dass ein Tagessatz von 150 Euro für fertig ausgebildete Journalist*innen kein vernünftiges Angebot ist, kommt manchen Verantwortlichen gar nicht in den Sinn.

Ich habe wie viele meiner Generation aber nicht nur finanzielle Ansprüche. Mein Beruf muss mir die Freiheit geben, auch ein Leben um den Beruf herum gestalten zu können. Das bedeutet flexible Arbeitszeiten, Home-Office und auch die Möglichkeit, meine Arbeitszeit an mein Leben anzupassen. Derzeit entsteht bei Bewerbungsgesprächen aber noch zu oft der Eindruck, dass allein die Vollzeitstelle das einzig Wahre ist, um im Job zu bestehen. Mir ist es außerdem wichtig, immer wieder neue Erfahrungen zu machen. Mehrere Jahre lang nur eine Tätigkeit auszuüben, kommt für mich nicht infrage. Dass ich mich innerhalb des Unternehmens umorientieren kann, sollte mir ein Arbeitgeber darum ermöglichen.

Allgemein muss Nachwuchskräften außerdem mehr zugetraut werden. Sie dürfen nicht nur dort geparkt werden, wo gerade Mangel herrscht. Junge Journalist*innen wollen ihre Laufbahn aktiv mitgestalten. Chefredakteur*innen, die sich in ihren Büros verschanzen, werden es daher schwer haben, Nachwuchskräfte für sich zu gewinnen. Wichtig ist bei dem Thema nicht nur Volos und junge Redakteur*innen in den Blick zu nehmen. Denn häufig ist es die freie Mitarbeit, die den Weg in den Beruf ebnet. Wer freiberuflich die ersten Schritte in den Redaktionen machen, braucht Vertrauen und Feedback. Freie sollten nicht nur die Themen bekommen, auf die die Festangestellten keine Lust haben – um dann bei Weihnachtsfeier keine Einladung zu erhalten.
Ich wünsche mir, dass Verlage und Medienhäuser glaubhaft den Kulturwandel einleiten, damit sie für junge Journalist*innen attraktiver werden und sich die Redaktionen diverser aufstellen können. Ich habe mich vor einem Jahr entschieden, meine Stelle als Redakteur zu kündigen, weil ich keine Perspektive für mich gesehen haben. Derzeit freue mich über meinen selbstbestimmteren, abwechslungsreichen Alltag zwischen PR und Journalismus. Für meine Zukunft aber wünsche ich mir, den digitalen und strukturellen Wandel in den Redaktionen mitgestalten zu können.

(Dieser Text erschien im DJV-Medienmagazin NORDSPITZE im April 2023)

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