Deutscher Journalisten-Verband Landesverband Niedersachsen
Appell zu mehr Mut und Experimentierfreude

Mein persönliches Highlight war der Impulsvortrag zu Beginn der Tagung. Lina Timm vom Medialab Bayern erklärte, was die Teilnehmer von Start-ups lernen können. Zunächst startete sie allerdings mit einer Bestandsaufnahme der Branche.

 

Mit klaren Ansagen wie »Wir sind arrogant und haben das Zuhören verdient« oder »Unsere Produkte sind echt schlecht«, provozierte sie zwar, ich persönlich hatte aber den Eindruck, dass nicht wenige Zuhörer ihr insgeheim zustimmten. Zumindest im beständig mitlaufenden Twitterstream äußerten Onlinejournalisten nur vereinzelt Widerspruch.

 

Diese Bestandsaufnahme erklärte Timm unter anderem damit, dass sich alte gewachsene Medienmarken den Einstieg in die Onlinewelt zu leicht gemacht hätten. Bei Start-ups, die sich ihre Nutzerschaft komplett neu aufbauen müssten, sei dies anders und daher werde viel entschlossener um jeden Leser gekämpft.

 

Zudem wünschte sich die Referentin mehr Mut und Experimentierfreude, die übrigens auch nicht teuer sein müsse. Typisch für alte Medien sei es, ein Jahr lang ein neues Produkt zu entwickeln, nur um dann festzustellen, dass man am Bedarf vorbeigearbeitet habe. Bei Start-ups wäre es dagegen üblich, mit einfachen Mitteln einfach einen Testballon zu starten, der anfangs noch nicht perfekt sein müsse. Zeigen Nutzer Interesse an dem Rohprodukt, werde es weiterentwickelt.

 

Mein zweites Highlight war eine Diskussionsrunde über neue Geschäftsmodelle im Netz. Hier saßen auch gleich zwei Start-ups auf dem Podium. Unter anderem stellte hier Maren Urner die Plattform Perspective Daily vor. Urner ist promovierte Neurowissenschaftlerin und will mit ihrer Plattform einen Journalismus etablieren, der nicht nur Probleme benennt, sondern auch konstruktive Lösungsvorschläge vorstellt. Finanziert wird Perspective Daily ausschließlich von den Lesern, Werbung findet sich auf der Webseite keine.

 

Neben ihr auf dem Podium saß Manuel Conrad, der die Webseite Merkurist vorstellte. Diese setzt klassisch auf Werbung und bietet den »guten alten« Lokaljournalismus. Er konnte berichten, zumindest in Mainz schon schwarze Zahlen zu schreiben. Unter anderem liege das am innovativen Konzept der Seite.

 

Dort reichen Leser Themenvorschläge ein, über die dann die Nutzer abstimmen. Erst wenn klar ist, welches Thema den Lesern gerade am drängendsten unter den Nägeln brenne, lege ein professioneller Redakteur mit der Recherche los. Man verstehe sich verstärkt als Dienstleister der Leser, erklärte Conrad. Das hatte auch Lina Timm zuvor in ihrem Impulsvortrag gefordert.

 

Weitere Themen der 13. Auflage der vom Fachausschuss Online organisierten Tagung in Köln reichten von Fake News über Roboterjournalismus bis zu Faktenchecks im Netz. Unter dem Leitthema »Den Fake News trotzen!« standen 20 Panels, Laborberichte und Workshop-Gespräche auf dem vielfältigen Programm. Deutlich wurde dabei das Bemühen, den journalistischen Anspruch auf sorgfältige, wahrhaftige Berichterstattung gegen Angriffe von Bots, Hackern, Nachrichtenfälschern, Spin-Doktoren oder Trollen zu verteidigen.

 

Foto: Diskussionsrunde bei Kongress »Besser Online« mit dem DJV-Bundesvorsitzenden Frank Überall (Mitte). Foto: Jan Gesthuizen

 

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