Deutscher Journalisten-Verband Landesverband Niedersachsen

Erfahrungen sind ein Gewinn. Auch schlechte.

Marie-Luise Braun

Mal ehrlich. Am liebsten sprechen wir doch über unsere beruflichen Erfolge. Über schlechte Erfahrungen oder Aufträge, die in den Sand gegangen sind, halten wir uns bedeckt. Selbst dann, wenn wir keinen Fehler gemacht haben, sondern vielleicht einfach der Auftrag besonders schwierig war. Dabei wäre es so wichtig, darüber zu sprechen, denn wir können aus solchen Erlebnissen eine Menge lernen: Wie wir uns selbst gut durch eine Krise führen zum Beispiel. Oder wie wir bei uns bleiben. Wo unsere Grenzen sind. Und ein bisschen auch, wie wir uns vor schlechten Erfahrungen schützen. Ganz vermeiden lassen diese sich ja nicht. Vielleicht ist das aber auch nicht so schlimm, wie wir im ersten Moment denken.

Wie gehen wir mit einer schwierigen Situation um oder reagieren auf herausfordernde Auftraggeber*innen? Manchmal stimmt einfach die Chemie nicht. Oder es hakt bei den Voraussetzungen. Und natürlich gibt es leider auch Menschen, die das Meistmögliche aus einem Auftrag herausholen wollen und versuchen, das mit künstlich erzeugtem Druck zu erreichen. Oder es sind Menschen, die ein solches Projekt (inhaltlich oder organisatorisch) noch nie gewuppt haben, das aber nicht zugeben mögen. Und wenn es ganz schlimm kommt, treffen mehrere dieser Faktoren zu.

Das Einfachste ist es natürlich, solchen Auftraggeber*innen aus dem Weg zu gehen. Sich beispielsweise eine andere Ansprechpartner*in zu suchen. Was aber tun, wenn wir mitten im Projekt stecken und das nicht mehr geht?

Ich habe mich bei einem bereits laufenden Auftrag für die Variante „Augen zu und durch“ entschieden. Schwierigkeiten hatten sich zunächst allenfalls angedeutet, weil die Auftraggeberin es nicht vermochte, vereinbarte Termine einzuhalten. Aber das lag im Rahmen. Es gibt einfach Menschen mit einem schlechten Zeitmanagement. Brisant wurde es erst bei einem Telefonat, wo diese Termine und weitere Absprachen noch einmal geklärt werden sollten. Da sagte die Auftraggeberin wörtlich: „Na, wenn Fehler passieren, dann schiebe ich das natürlich immer auf Sie.“ Und es war kein Funke Humor in ihrer Stimme.

Die folgenden Tage sollten zeigen, wie ernst es ihr damit war. Es ging sehr beschwerlich voran. Sie hatte noch nie ein Projekt von der Größe gestemmt, wollte aber keinen Vorschlag annehmen, wie es für alle gut strukturiert und ohne überflüssigen Energieaufwand abzuarbeiten wäre. Alle Hinweise in diese Richtung schmetterte sie ab oder ignorierte sie. Und es gab weiteres, was das Abarbeiten des ohnehin eng gesteckten Zeitplans zu einer wirklichen Herausforderung machte. Abgesehen von dem Ärger, der zusätzlich Energie band.

Das Projekt sollte noch mehrere Monate laufen, der Auftrag war schriftlich fixiert und per Vertrag abgesichert. Es war alsbald klar: So konnte es nicht weitergehen, wollten mein Team und ich gesund und entspannt bleiben. Genau hier fand ich die erste Lösung des Problems. Mit meinem Team lief die Arbeit reibungslos. Wir sprachen offen über die besonderen Schwierigkeiten des Projekts, fanden eine gemeinsame Basis im Umgang mit dem Ton von außen und schalteten gemeinschaftlich auf den Modus „Professionell abarbeiten. Auftrag erfüllen.“ Das half fürs Erste.

Doch dann wurde es richtig haarig. Meine Autorinnenschaft sollte unter den Teppich gekehrt werden. Schließlich versuchte die Auftraggeberin mein Team und mich vor der Zeit aus dem Projekt zu schubsen. Mir waren die Winkelzüge fremd. Also holte ich mir erneut Hilfe. Dieses Mal von außen. Ich bat Ursula Meschede, die Juristin des Deutschen Journalisten-Verbandes in Niedersachsen, um Rat. Konzentriert auf das Problem, nüchtern in der Analyse und sachlich bei der Suche nach einer Lösung gingen wir die Situation an. Und das Tolle: Wir konnten über die Angelegenheit lachen. Die Gespräche halfen also auch menschlich. Es gelang mir, mich wieder auf meine Arbeitspakete zu konzentrieren. Fehler sollten mir schließlich keine unterlaufen, was bei solchen Voraussetzungen ja besonders schwierig ist. Ich konnte schließlich den Ärger zur Seite schieben und mit Bedauern auf die Auftraggeberin schauen, die sich letztlich selbst schadete.

Mein Team und ich haben das Projekt im Zeitrahmen gestemmt. Aber nicht nur das macht mich zufrieden, sondern auch, dass ich für mein Team Menschen gesucht habe, die es sowohl fachlich drauf haben, als auch menschlich. Zudem empfinde ich es als Stärke, sich Hilfe zu holen, und nicht als Schwäche. Warum nicht auf die Expertise anderer bauen und auf diese Weise schneller und klarer eine Lösung finden? Zumal es ermöglicht, selbst dazuzulernen und die eigenen Möglichkeiten zu erweitern.

Natürlich habe ich mir Sorgen gemacht. Zwar kann die Auftraggeberin meinem Team keine Fehler in die Schuhe schieben, denn das Projekt haben wir gut abgeschlossen. Aber sie könnte schlecht über uns, vor allem mich als Teamleiterin, sprechen. Dass diese Sorge unbegründet war, wurde deutlich, als mich nach Abschluss des Auftrags eine andere Person ansprach, die von dem Projekt gelesen hatte. Sie fragte: „Und, wie hast du die Zusammenarbeit ausgehalten?“ Menschen, die sich als Projektpartner*innen als unangenehm erweisen, arbeiten meistens nicht nur in Einzelfällen so. Das spricht sich herum. Und wer würde auf die Einschätzung solcher Menschen hören?

Mein persönliches Resümee aus dem Projekt: Schlechte Erfahrungen sind gar nicht so schlecht. Weil wir durch sie spüren, wo wir eben nicht hingehören. Weil wir uns durch sie auf den Weg machen, etwas Besseres zu finden. Und genau das haben wir uns verdient.

Text: Dr. Marie-Luise Braun

Foto: Angela von Brill

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