Deutscher Journalisten-Verband Landesverband Niedersachsen

Die Zukunft des Journalismus? Wie KI die Branche verbessern kann

Jan Gesthuizen

Die Angst geht wieder um. Manche Medienhäuser und Journalist*innen fürchten sich vor KI und Diensten wie Chat GPT. Dass diese Sichtweise zu einseitig ist, zeigte sich kürzlich auf dem South by Southwest-Festival in Austin, Texas, das ich besucht habe. Dort diskutierten Expert*innen über die Auswirkungen der KI auf Redaktionen.

Eindrücklich berichtete etwa Aimee Rinehart, die für die wohl wichtigste Nachrichtenagentur Nordamerikas, der Associated Press (AP), arbeitet. Die Agentur arbeitet mit Lokalredaktionen daran, Informationen dank KI besser zu verarbeiten. Schon heute nutze etwa ein lokaler Radiosender aus Michigan ein Tool, das Aufzeichnungen von Stadtratssitzungen automatisch transkribiere. Im nächsten Schritt wird nun ein automatischer Key-Word-Alarm integriert, der aus den Transkripten relevante Stellen heraussucht. Die Transkription basiert dabei auf künstlicher Intelligenz, im Fall der AP kommt das Tool Whisper zum Einsatz, das schon für unter 30 Dollar im Monat zu haben ist.

Das Beispiel zeigt, KI ist mehr als Chatbots und gefakte Bilder. KI kann Redaktionen helfen, Veranstaltungen und Sitzungen redaktionell zu begleiten, auch wenn kein Reporter vor Ort sein kann. Zwar kann die KI Zwischentöne oder Pausengespräche bei solchen Sitzungen nicht wahrnehmen, generell unterstützt sie Journalist*innen aber dabei, mehr Zeit für die eigentliche Arbeit, die Recherche von Themen, zu haben.

Neues Nutzererlebnis dank KI

Ein anderes Beispiel brachte Laura Ellis von der britischen BBC mit. Dort wurde Deep-Fake-Technologie eingesetzt, um bei einem Bericht über anonyme Alkoholiker deren Gesichter unkenntlich zu machen. Dies sei ein großer Fortschritt, so Ellis, da man nun auf die übliche Verpixelung verzichten könnte.

Natürlich gibt es Risiken. Und es ist Aufgabe von Redaktionen, auf diese Gefahren im Rahmen ihrer journalistischen Aufgaben hinzuweisen. So wies David Smydra, der bis zur Übernahme durch Elon Musk bei Twitter arbeitete, darauf hin, dass Gefahr von KI-Content-Farmen ausgehe, die etwa noch massenhafter Fehlinformationen produzieren könnten, um Wahlen zu beeinflussen. Diese hätten das Potenzial, noch effizienter und vor allem mehr Fehlinformationen zu produzieren als bisher.

Dennoch gibt es viele sinnvolle Anwendungen und neue KI-Tools kommen jeden Tag auf den Markt, wie Smydra berichtete. Das sei auch ein Segen, denn Verlage müssen nicht selbst aufwändig KIs entwickeln, sie können die gewünschten Dienste einfach mieten. Bei Übersetzungen und Transkriptionen ist dies schon lange möglich und kommt schon seit einigen Jahren vielfach zur Anwendung.

Transparenz ist wichtig

Er selbst sah großes Potenzial darin, mithilfe von KI neue Themen zu entdecken. Ein Beispiel, das oft genannt wurde, sind KI-basierte Empfehlungssysteme. Wir alle kennen die „Das könnte Sie ebenfalls interessieren”-Sektionen auf Nachrichtenplattformen, die meistens mehr schlecht als recht funktionieren. Mithilfe von KI könnten diese deutlich besser werden und Lesern die Inhalte empfehlen, die sie wirklich interessieren. Allerdings dürfe man dies nicht übertreiben, erklärte Laura Ellis. „Man darf den Leuten nicht nur Süßigkeiten geben, sondern auch etwas Gemüse”, umschrieb sie ihre öffentlich-rechtliche Sichtweise. Es sei es wichtig, Menschen nicht nur das zu zeigen, was sie wollen, sondern auch was von öffentlichem Interesse sei.

Einigkeit herrschte bei allen Expert*innen, dass Transparenz wichtig sei. Wenn Nutzer*innen Inhalte sehen, die von einer KI stammen, so müsse dies auch erkennbar sein. Grundsätzlich vorsichtig standen alle Panelisten von KI-geschriebenen Artikeln gegenüber. Wobei selbst Laura Ellis von der BBC dies nicht für alle Zeiten ausschließen wollte. Noch sei die KI dafür noch nicht gut genug.

Die KI schreibt schon Artikel

Das sehen aber nicht alle so. So berichtete ein Zuschauer aus Australien, dass die Redaktion einer KI Überschriften vorgebe, woraus diese dann Artikel generiere. Die Artikel würden dann von der Redaktion geprüft und anschließend regulär veröffentlicht. Das habe dazu geführt, dass die Redakteur*innen keine Überstunden mehr machten. Zur Anwendung kommt dieses Vorgehen bei 15 bis 20 Prouent der Artikel im Unternehmen.

Auch Beispiele von Nachrichtenseiten, die KI-Bilder nutzen, waren auf dem South by Southwest-Festival zu sehen. Die Sorge, Fotograf*innen ihre Jobs streitig zu machen, gab es natürlich. Geäußert wurde diese Sorge vor allem von Personen, die bei großen Unternehmen arbeiten und Budgets haben. Andere wiesen darauf hin, dass sie ohnehin noch nie ein Budget für Bilder hatten, da sie in kleinen Nischen aktiv sind. Diese freuen sich nun, auch adäquat ihre Inhalte bebildern zu können.

Die Entwicklung immer besserer KI-Tools wird sich nicht mehr aufhalten lassen. Die Frage, die wir Journalisten und Journalistinnen uns nun stellen müssen, ist, wie wir mit dieser neuen Welt umgehen. Nutzen wir die neuen Möglichkeiten oder stecken wir unsere Zeit in einen Abwehrkampf? Letzteres hat allerdings schon die Kutschenbauer nicht vor dem Automobil gerettet.

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